Das Heilsbronner Modell
ist aus der Praxis im Bildungsbereich entstanden. Differenzierte berufliche Erfahrungen und Beratungsansätze haben zu diesem -psychoanalytisch fundierten-Modell geführt, mit dem seit 1985 in verschiedensten beruflichen Kontexten erfolgreich vor Ort gearbeitet wird - ohne externe Expertise, als echtes Peer-to-Peer - Verfahren.
Kollegiale Beratung ist in der betrieblichen Personalentwicklung und Qualitätsmanagement, im Profit- wie im Non-Profitbereich etabliert.
Seit 2005 ist Kollegiale Beratung auch als Online-Beratung verfügbar, gut evaluiert und konzeptionell fundiert. Die Internetplattform www.kokom.net gewährleistet gut geschützte, vertrauliche Online-Räume und unterstützt dort den Prozess der Fall-Beratungsgruppen, Schritt für Schritt.
Seit 2023 ist die erheblich erweiterte und grundlegend überarbeitete 3. Auflage im Buchhandel erhältlich: Kollegiale Beratung. Online und offline im Heilsbronner Modell
Inhalt, Autor:innen und Einführung ins Buch
Rezensionen von: Monika Ziegler, KulturVision; Ulrich Jung, RPZ; Michael Mayer, socialnet; Lisa Melzer, merz
Kollegiale Beratung: Anlässe und Ziele
Viele Menschen arbeiten alleine mit anderen Menschen, stehen vor Schulklassen, arbeiten in Kindergartengruppen und Horten, begegnen Menschen am Bankschalter oder an der Rezeption usw. Auch die Vorbereitung geschieht häufig allein. Aus dieser Situation heraus sollen etwa Prozesse der Projektarbeit initiiert und gesteuert werden. Teamarbeit beim Lernen, in verschiedensten beruflichen Kontexten erfordert differenzierte Kompetenzen, die von unterschiedlichen Menschen eingebracht werden.
Kollegiale Beratung profitiert von solchen Erfahrungen, fördert Kollegialität und schafft Solidarität. Sie verhindert Einsamkeit, bringt Entlastung, klärt Probleme und fördert vorhandene Kompetenzen, fordert und fördert den fachlichen Diskurs. Beruflichen Alltagsprobleme der Gruppenmitglieder liefern die Themen zur Arbeit in der Gruppe, vor allem Interaktions-, Beziehungs-, Persönlichkeits- und Institutionsprobleme, die das Berufsfeld eines Teilnehmers, einer Teilnehmerin bestimmen.
Zur Kollegialen Beratung gehört die Selbsterfahrung.
Der Beratungsprozess in der Gruppe dient der Bewältigung und Veränderung des Alltagslebens in einer Institution. Dazu müssen psychologische, soziologische und pädagogische Ansätze in die Analyse und zur Bearbeitung aufgenommen werden. Im Verlauf der Beratung leisten die Gruppenmitglieder dazu ihre Beiträge. Kollegiale Beratung vermeidet so, Problemstellungen etwa nur als individuell-persönliche Unzulänglichkeit des einzelnen Gruppenmitgliedes zu sehen: Es geht also z.B. nicht um „Problemschüler an sich", sondern um „Problemschüler für mich".
Zum anderen meint Selbsterfahrung auch die Ebene der Bearbeitung des Falles in der Gruppe, wobei der vom Fallgeber:in ausgelöste Gruppeninteraktionsprozess für sie:ihn das zentrale Erfahrungsfeld wird. Jeder lernt also auch etwas über sich selbst, durch die Art und Weise, wie sie:er in der Gruppe und wie die übrigen Teilnehmenden mit ihr:ihm und untereinander agieren.
Diese Re-Inszenierung des Falles in der Gruppe wurde erstmals 1954 vom M.Balint in der Weiterbildung von Ärzten genutzt; im Heilsbronner Modell tritt die durch die Moderation umgesetzte Struktur des Leitfadens mit seinen zehn Schritten an die Stelle der externen Leitung.
Kollegiale Beratung zielt so auf eine differenziertere Wahrnehmung des eigenen Verhaltens, eigener und fremder Gefühle, Impulse, Reaktionen, Phantasien und der unbewussten Anteile in einer Problemsituation, will verborgene Erwartungen, Ziele, Beweggründe etc. bewusst machen. Denn eine realitätsgerechtere Einschätzung des eigenen Verhaltens und der eigenen Möglichkeiten ist Voraussetzung für die Entwicklung eines Verhaltensrepertoires, das Problemlösungen in schwierigen Fällen beruflichen Handelns angemessen ist.
Kollegiale Beratung - praktisch
Die Teilnahme an der Kollegialen Beratung setzt eine aktuelle Tätigkeit voraus. Die Gruppe als Sozialform ermöglicht - gegenüber dem Einzelgespräch - stärkeren Rückhalt, größere Solidarität durch gemeinsame Betroffenheit und eine reichere Bandbreite in der Fallbearbeitung.
Berufsbezogenen Probleme werden nicht als ein für alle Teilnehmenden gleich formuliertes Thema bearbeitet, sondern durch das Berichten und Bearbeiten eines Falles, den ein Gruppenmitglied vorstellt. Jede Sitzung nimmt ihren Ausgang von der subjektiven Betroffenheit eines Mitglieds, durch eine Situation aus dem beruflichen Alltagsgeschehen, die - als Fallbericht eingebracht - Thema und Interaktion der Gruppe bestimmt.
Das Heilsbronner Modell nützt einen Leitfaden, der alle Beteiligten in zehn Schritten mit präzisen Aufgabenstellungen durch eine Kollegiale Beratung führt. Drei klare Rollen (Leitung, Fallgeber:in und Berater:innen) fördern dabei die Zusammenarbeit.
Empfehlungen
Dieses Modell lebt von der Einübung, die Vertrautheit in der Gruppe schafft und die zehn Schritte als sinnvolle und entlastende Führung erleben lässt. So kann jede:r für sich eigene Spielräume für mögliche Assoziationen, Phantasien u.ä. entdecken.
Es ist wichtig, sich an die Reihenfolge der Schritte zu halten, um nicht gleich zu Beginn „Lösungen“ einzubringen, die nur vorgreifen und den Raum möglicher Handlungsalternativen einengen. Der Zeitpunkt über Lösungen nachzudenken ist bewusst an das Ende gestellt, um einer Lösung nahe zu kommen, die für die:den Fallgeber:in stimmig ist. Auch das Erinnern eigener Beispiele („Das habe ich auch schon erlebt!") steht am Ende, weil sonst eine echte Lösung verhindert würde.
Der eingebrachte Fall steht im Mittelpunkt, so dass erst am Ende ähnliche individuelle Erfahrungen ausgesprochen werden. Diese Reihenfolge schafft größere Anteilnahme und Solidarität. Eine Gruppengröße von vier bis sieben Personen ist hilfreich.
Alles, was in der Gruppe ausgesprochen wird, unterliegt der Verschwiegenheit, die von allen verbindlich vereinbart wird. In der Online-Beratung auf kokom.net geschieht das bereits mit der Zustimmung zu den AGB, sollte aber dennoch zu Beginn beim Kontrakt mit der Gruppe, im Schritt 1, bekräftigt werden.
Kollegiale Beratungsgruppen sollten sich regelmäßig treffen. Ein Abstand von 14 Tagen erleichtert Gruppen „vor Ort" das Hineinfinden. Eine Fallberatung benötigt etwa 90 Minuten.
Online-Gruppen sollten unbedingt eine verbindliche Reaktionszeit auf das Eintreffen neuer Beiträge im Beratungsraum vereinbaren- vorzugweise zumindest einmal täglich.
Eine Fallberatung ist so in zwei (bis höchstens drei) Wochen gut zu bewältigen.
Längere Reaktionszeiten auf Beiträge im Gruppenraum (sowie mehr als sieben Teilnehmer:innnen) lassen den Prozess schwerfällig und zunehmend unverbindlich werden.
Daher ist das Einhalten eines verbindlicher Kontrakts aller Beteiligten einer Fallberatung (im Schritt 1) grundlegend und unverzichtbar für das Beratungsergebnis.
So ist es eine wichtge Aufgabe der Moderation/Leitung, achtsam zu sein und ggf. zu intervenieren (bis hin zum Ausschluß eines Mitglieds, falls dieses den Prozess der Gruppe dauerhaft blockiert).
Flyer Heilsbronner Modell - Überblick
(auf Anfrage auch gedruckt erhältlich)
Heilsbronn Model of Peer-to-Peer Counseling
Heilsbronner Modell - Sprache: russisch
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